Experimentalhaus Rügen

Leben im 1:1-Experiment

Das Experimentalhaus beschreibt als zirkuläres Projekt einen Prozess, der Wissen schafft und gleichzeitig nach einer neuen Ästhetik sucht

Ausgangspunkt des Experimentalhauses ist das Dorf Streu in Bergen auf Rügen. Das bestehende Gebäude, 1952 als Typ EW 58, dem sogenannten DDR-Einfamilienhaus-Bausatz, erbaut, war in einem schlechten Zustand, als die Architektin Susanne Brorson das Haus erwerben konnte. Als erste Maßnahme wurde das Reetdach mit neuem Material gedeckt, das nur wenige Meter entfernt aus dem Bodden gewonnen wurde. „Rekontextualisierung“ nennt die Architektin ihren Ansatz für das Experimentalhaus, das auch als 1:1-Experiment bezeichnet werden kann. Denn hier geht es, stets ortsgebunden, um die Optimierung der Bausubstanz mit Hilfe passiver Strategien zur Klimaanpassung. Für den Innenraum bedeutet dies geseifte Massivholzdielen, mit Sand- Zement-Putz mit Ostseekies verputzte Wände und mit heimischer Kreidefarbe gestrichene Wandflächen.

Anzahl der Bewohner4
Wohnfläche (m2)136
StandortDorf Streu
Fertigstellung2023
PlanungsbüroSTUDIO SUSANNE BRORSON
Zum Profil
FotografieMaja Wirkus
Das experimentelle Haus umfasst eine Reihe von 1:1 gebauten Experimenten, die sich auf Klimaanpassung, zirkuläres und ressourcen- bewusstes Bauen mit loka- len biogenen Materialien sowie auf die Nutzung passiver Strategien aus der lokalen Architektur konzentrieren.

Susanne Brorson

Sichtbarer zeigt sich das Experiment an der Außenfassade, das seit 2021 in der Praxis erprobt und durch Forschungsprojekte begleitet wird. Hier wer- den saisonale Wandbekleidungen in Form von 1x1 Meter großen, manuell montierbaren Paneelen an bestimmten Fassadenbereichen angebracht, die besonders windexponiert und anfällig für erhöhte Konvektionswärmeverluste sind. Eine zusätzliche Dämmschicht aus natürlichen, kompostierbaren Materialien – hier Reetmatten, Seggen, Seegras und Gräser – verhindert das Auskühlen. Die Sanierung und der Umbau umfassen auch die Errichtung einer Wand nach Norden, die einen geschützten Innenhof als „sun space“ mit Mikroklima schafft. Der Übergang vom Wohngebäude mit seinen unterschiedlichen Klimazonen zur Terrasse ist fließend und ermöglicht auch hier saisonales Wohnen. Der ehemalige Hühnerstall ist zu einem flexiblen Raum geworden, der mal als Büro, mal als Ferienwohnung oder als Atelier dient.

Impressionen