Am Ende der Straße steht ein

Haus am See

Verfallene Häuser unter Denkmalschutz, keine Genehmigung fürs Bauen am Wasser – als unverkäuflich galt das Ensemble. Architekt Carlos Zwick kaufte trotzdem und lebt heute mit seiner großen Familie großartig am und mit dem See.

Zwei marode, einsturzgefährdete Fachwerkhäuser, wildwucherndes Gestrüpp über 4.000 Quadratmeter und eine vielbefahrene Bundesstraße. Wenig einladend präsentierte sich das Grundstück am Potsdamer Jungfernsee, früher ein beliebter Ausflugsort mit Bootsanleger, Parkcafé und Tanzsaal. So wenig, dass ihm der Architekt Carlos Zwick nur flüchtig ein paar Augenblicke Aufmerksamkeit schenkte, als er 2011 auf der Terrasse des Nachbargrundstücks zum Kaffee eingeladen war. Dabei suchten er und seine Lebensgefährtin schon eine ganze Weile nach einem Grundstück am Wasser: Viel Natur, ein schöner See, die Stadt um die Ecke und bezahlbar, so sollte es sein. Drei Jahre später und immer noch nicht fündig, sprang dann der Funke über. „Mir war klar, dass da ein Haufen Arbeit auf uns zukommen würde, aber je mehr ich mich mit dem Gedanken beschäftigte, dort ein Haus für die Familie zu bauen, desto faszinierter war ich.“ Auch oder gerade die Umgebung, die eher an eine Industriebrache als an Potsdamer Wasservillennoblesse denken ließ, hatte es dem Architekten angetan – und machte das Seegrundstück erschwinglich. Bestechend auch die Nähe zur Potsdamer Innenstadt. In nur zehn Minuten mittendrin – perfekt! 2014 unterzeichnete er den Kaufvertrag – ohne Gewissheit, ob er dort jemals eine Baugenehmigung erhalten würde.

Anzahl Bewohner8 Personen
Wohnfläche610 m²
StandortPotsdam
Fertigstellung07/2020
PlanungsbüroCarlos Zwick Architekten BDA
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FotografieJosé Campos
Einfach denken ist eine Gabe Gottes.

Konrad Adenauer via Carlos Zwick (i.B.)

Die ersten Entwürfe waren schnell gemacht, Mies van der Rohes Farnsworth House stand Pate. Ein flaches, den Boden nicht berührendes Haus sollte es werden, mit genug Platz für die große Familie und einer Einliegerwohnung für die Oma. Ein Haus, das der Natur Respekt zollte, indem es sie in seine Architektur integrierte. Keiner der uralten Bäume sollte gefällt werden. Es folgte ein zähes Ringen mit dem Bauamt. Vier Anträge wies es ab, erst Nummer fünf brachte die Genehmigung. Der Plan: ein Neubau auf Stelzen, die Sanierung von Parkcafé und Ballsaal und ein weiterer Baukörper, der die Lücke zwischen den beiden Denkmalen schließen sollte. Heute steht das Haus auf insgesamt zehn Einzelfundamenten und 40 diagonalen Stelzen, in drei Metern Höhe. Mit seiner Fassade aus vertikalen schmalen Lärchenholzlatten verschmilzt der Baukörper mit den Kronen der ihn umgebenden riesigen Bäume. Ein großer Ahorn wächst mitten durchs Wohnzimmer. Was jetzt so selbstverständlich und gewachsen dasteht, als wäre es nie anders gewesen, war ein kniffeliges Stück Arbeit: Weder mit Turmdreh- noch Autokran konnte zwischen dem üppigen Baumbestand gearbeitet werden, das gesamte Haus wurde nur mit Hilfe eines mobilen Teleskopstaplers errichtet. Überhaupt ist es die Natur, die in dem Entwurf die erste Geige spielt: „Auch das Wasser hat mich hier total fasziniert und ich habe mir überlegt, wie ich in den Innen- und Außenräumen größtmögliche Nähe zum See herstellen kann. Jetzt schweben wir quasi über ihm, beim Frühstück, in den Wohnbereichen und auf der 22 Meter langen Loggia. Mit ihrem verglasten Geländer erstreckt sie sich wasserseitig über die gesamte Breite des Hauses.“ Zugänglich ist die Terrasse aus allen drei angrenzenden Wohnräumen. Schiebefenster aus Eichenholz gewähren freien Weitblick über das Wasser. Trotz der Höhe der Wohnebene – die Loggia liegt immerhin 8 Meter über dem Wasserspiegel – ist der See auch im Haus immer präsent. Text von Claudia Kensy

Impressionen